Editorial

Gerade 'mal ein Jahr ist es her, daß das FORTWIHR-Quartl das Licht der Welt erblickt hat, und schon gibt es Rekordverdächtiges zu berichten. Innerhalb eines Jahres verdoppelte sich die Seitenzahl von 4 auf jetzt 8 Seiten - und das, obwohl die Privatwirtschaft nur sehr zögerlich für Anzeigen gewonnen werden konnte und sich der Anteil der Werbeflächen somit auf konstant niedrigem Niveau stabilisiert hat. Ferner konnten wir der stürmischen Nachfrage nur durch Verdoppelung der Auflage Herr werden. Im ländlichen und mittelständischen Raum soll es dennoch immer wieder zu Versorgungsengpässen kommen. Hier werden weitere Anstrengungen vonnöten sein, um dem Technologie- und Quartltransfer neue Impulse zu geben.

Und was gibt es sonst noch zu berichten? Ach ja, beim internationalen Troika-Wettbewerb konnte das "TEAM Quartl" (technischer Sachverstand des Ingenieurs, numerische Verfahren des Mathematikers, moderne Methoden und Rechner der Informatik) seinen Konkurrenten auf den zweiten Platz verweisen und den ersten Preis erringen. Laut Auskunft der Jury gab letztendlich der gleichgewichtige Einsatz der drei Protagonisten den Ausschlag für unsere Mannschaft - wir gratulieren herzlich!

Nach inoffiziellen Verlautbarungen gehen der Bayerischen Forschungsstiftung langsam die Namen für ihre Verbünde aus. Auch an dieser Front übernahm der FORTWIHR wieder eine Vorreiterrolle. In Zusammenarbeit mit dem Robert-Balder-Institut für Abkürzungsforschung (RBIAF) wurden die Vorbereitung, Namenssuche und Gründung verschiedener möglicher Verbünde auf Hochleistungsrechnern numerisch simuliert. Wir veröffentlichen vorab einige der Vorschläge, die aus der fruchtbaren Kooperation hervorgegangen sind: FORMALDEHYD (Bayerischer Forschungsverbund Alte Hüte), FORGESTERN (Bayerischer Forschungsverbund Zeitforschung), FORELLE (Bayerischer Forschungsverbund Emanzipationsforschung), FORBEI (Bayerischer Forschungsverbund Bereits Erfundene Innovationen), FORWÄRTS (Bayerischer Forschungsverbund Wärmeentwicklung auf Tasmanien).

So, damit nun nicht der (völlig unzutreffende) Eindruck entsteht, bei uns würde nicht stets seriös gearbeitet, sei zum einen die Lektüre der nachfolgenden Seiten empfohlen, zum anderen aber soll an dieser Stelle nochmals auf unseren Neuantrag verwiesen werden, der seit dem 6. 12. vorliegt (ich hoffe, jeder hört das Getöse der vom Herzen fallenden Felsbrocken!). Im Namen der Redaktion darf ich allen unseren Lesern frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünschen, den FORTWIHR-Mitarbeitern zusätzlich noch viel Erfolg bei der Vorbereitung der Begutachtung am 16.1.95!

Hans-Joachim Bungartz


Strömungssimulation

Hochleistungssoftware für die Industrie

Der Untersuchung und Optimierung von Strömungsvorgängen mit Hilfe numerischer Simulation kommt heute für eine Vielzahl von Anwendungen in Industrie und Wissenschaft eine große Bedeutung zu. Die Einsatzmöglichkeiten sind sehr vielfältig und finden sich in unterschiedlichen Bereichen wie z.B. der Aerodynamik von Flug- und Kraftfahrzeugen, dem Turbinenbau, Verfahrensprozessen im chemischen Anlagenbau, Verbrennungsvorgängen, der Mikrosystemtechnik, der Wettervorhersage, um nur einige wenige zu nennen.

[Computergraphik]

Strömung in einer Spiralpumpe

Insbesondere für Ingenieuraufgaben, wie sie typischerweise in klein- und mittelständischen Unternehmen auftreten, etwa die Auslegung und Optimierung von Pumpen, Wärmeüberträgern, Durchflußmessern, Abscheidungsreaktoren, Galvanisierungsverfahren oder Laborabzügen - alles Beispiele, die von den Erlanger Strömungsmechanikern schon in Zusammenarbeit mit Industriepartnern erfolgreich bearbeitet wurden - eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Kostenreduzierung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit. Auch für alltägliche Dinge wie Backöfen, Staubsauger, Kühlschränke oder Hausdächer lassen sich mit Hilfe numerischer Simulationen der jeweiligen Strömungsvorgänge neue Erkenntnisse gewinnen, die beispielsweise zu einer Verbesserung der Produktqualität oder einer Energieeinsparung beitragen können. Die Vorteile numerischer Strömungssimulationen im Vergleich zu experimentellen Untersuchungen liegen auf der Hand. Die Berechnungen sind in der Regel mit wesentlich geringerem finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden als teure und langwierige Versuche (z.B. im Windkanal) und liefern darüber hinaus oftmals umfangreichere und genauere Ergebnisse. Häufig ist es auch so, daß detaillierte Messungen überhaupt nicht möglich sind, wie z.B. in vielen Bereichen der Mikrosystemtechnik oder im Inneren eines Motorblocks.

Eine realistische Simulation solcher Vorgänge stellt jedoch andererseits auch sehr hohe Ansprüche an die zugrundeliegenden Berechnungsmethoden. Komplizierte Geometrien, wie sie z.B. bei Motoren, Turbinen, Reaktoren oder Flugzeugen auftreten, und komplexe sich wechselseitig beeinflussende Vorgänge wie Turbulenz, chemische Reaktionen, Wärme- oder Stofftransport müssen gleichzeitig erfaßt werden und lassen die Berechnungen zu einer extrem rechenintensiven Aufgabe werden. Oftmals sind für eine einzige Simulation eine Vielzahl von Gleichungssystemen mit jeweils mehreren Millionen Unbekannten zu lösen. Ohne den Einsatz des Hochleistungsrechnens, d.h. ohne effiziente numerische Verfahren und moderne leistungsfähige Parallelrechner, können diese Probleme nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit angegangen werden.

[Computergraphik]

Strömung in einem Laborraum

Die Entwicklung von Programmpaketen, die den geschilderten Ansprüchen gerecht werden, bildet einen Schwerpunkt der Arbeiten der Erlanger Strömungsmechanikgruppe im FORTWIHR. Ein Beispiel ist das parallele Strömungsberechnungsprogramm FASTEST, welches zusammen mit der INVENT Computing GmbH für Berechnungen von zwei- und dreidimensionalen Strömungsvorgängen mit Wärme- und Stofftransport entwickelt wurde. Das Programm bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Probleme aus den oben genannten Bereichen und erlaubt aufgrund der implementierten effizienten numerischen Methoden und der Möglichkeit des Einsatzes von Parallelrechnern sehr zuverlässige Berechnungen bei geringem Zeitaufwand. Dies konnte für eine Reihe der eingangs genannten Problemstellungen unter Beweis gestellt werden.

Ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf eine schnelle Einführung der Simulationstechniken in die Industrie, ein wichtiges Anliegen des FORTWIHR, ist die Benutzerfreundlichkeit der Software, d.h. die Bereitstellung von Menusteuerungen, komfortablen Pre- und Postprozessoren zur Gittererzeugung und Datenvisualisierung sowie -auswertung, einer adäquaten Dokumentation sowie anwendungsspezifischer Komplettlösungen. Diese Arbeiten werden, zusammen mit der für einen Industrietransfer notwendigen Öffentlichkeitsarbeit, in enger Kooperation mit industriellen Partnern aus dem Hard- und Softwarebereich durchgeführt. So wird beispielsweise das FASTEST-Programm in das leistungsfähige Pre- und Postprozessorsystem IGG/CFView der Firma NUMECA International integriert und das Gesamtpaket - mit einer einheitlichen menugesteuerten Benutzeroberfläche - für verschiedene Parallelrechner bereitgestellt.

Trotz der Anstrengungen hinsichtlich der Anwenderfreundlichkeit wird es im Bereich der Strömungssimulation sicherlich auch künftig keine "Knopfdruck-Software" geben, d.h., ein bestimmtes Maß an Sachkenntnis des Anwenders wird immer erforderlich sein. Die realistische Einschätzung der Möglichkeiten der Programme, ihre sachgemäße Anwendung sowie insbesondere die richtige Interpretation der berechneten Ergebnisse sind zu anspruchsvollen Aufgaben geworden, die nur von geschulten Fachleuten durchgeführt werden können.

Eine spezielle Ausbildung, die gezielt in die verwendeten numerischen Methoden, Programmiertechniken, Rechnerarchitekturen und Anwendungsmöglichkeiten einführt, ist daher unabdingbare Voraussetzung, um für die Anforderungen gerüstet zu sein. Die Erlanger FORTWIHR-Gruppe veranstaltet daher in regelmäßigen Abständen Kurzlehrgänge für Anwender aus Industrie und Universität, die sich mit dem Thema Hochleistungsrechnen und Strömungssimulation befassen. Weiterhin wurde in Zusammenarbeit mit der INVENT Computing GmbH das Ausbildungspaket LEARN entwickelt, welches eine gute Möglichkeit für eine Einarbeitung in die Problematik bietet.

Es ist abzusehen, daß die wirtschaftliche Bedeutung der numerischen Simulation strömungsmechanischer Problemstellungen weiter stark zunehmen wird. Mehr und mehr Unternehmen werden sich diese Technik zunutze machen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. zu erhöhen. Durch die FORTWIHR-Aktivitäten in diesem Bereich konnten hierzu bereits wichtige Beiträge geleistet werden, und für die Zukunft sind sehr gute Voraussetzungen geschaffen, die anstehenden Entwicklungen entscheidend zu unterstützen und mit der erforderlichen Schnelligkeit weiter voranzubringen.


Schlüsseltechnologien für den Mittelstand

Unternehmergespräch am 3.11.94 bei der IHK für München und Oberbayern

Seit einiger Zeit veranstaltet die WiSo-Führungskräfte-Akademie Nürnberg im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr und in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Forschungsstiftung sogenannte Unternehmergespräche bei den Industrie- und Handelskammern in Bayern. Bei drei derartigen Veranstaltungen in Bayreuth, München (unser Bericht) und Nürnberg stellt sich auch der FORTWIHR einem Publikum aus der mittelständischen Industrie vor.

Das vorrangige Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft neue Impulse zu geben, um so Innovationen im Bereich heutiger Schlüsseltechnologien - und besonders hier liegen die Chancen der mittelständischen Unternehmen - zu ermöglichen. Nach der Begrüßung der rund 40 Teilnehmer durch Dipl.-Ing. Gerd Meyer-Marc, dem Vorsitzenden des Förderkreises Neue Technologien (FNT) München, erläuterte der Geschäftsführer der Bayerischen Forschungsstiftung, Prof. Dr. Nikolaus Fiebiger, die Rolle neuer Technologien bei der Wettbewerbssicherung im Mittelstand. Als Instrumentarium für einen effizienten, innovativen und schnellen Technologietransfer stellte er dabei das Konzept der Bayerischen Forschungsverbünde vor. Das alles verband Prof. Fiebiger mit dem Appell, die Angebote der Bayerischen Forschungsstiftung an mittelständische Unternehmer auf dem Wege zur Kooperation mit einem Forschungsverbund (Hilfe bei der Suche des geeigneten Partners, Organisation von Besuchen entsprechender wissenschaftlicher Einrichtungen) anzunehmen und die Chance zu nutzen, durch Zusammenarbeit mit kompetenten Hochschulpartnern längerfristig Marktanteile zu erlangen und zu sichern.

Zwei Forschungsverbünde stellten sich anschließend explizit vor: der Forschungsverbund Lasertechnik (FORLAS, Prof. Dr. Dr.h.c. Manfred Geiger) sowie der FORTWIHR (Prof. Dr. Christoph Zenger). Beide Sprecher gingen dabei schwerpunktmäßig auf das Anwendungspotential "ihrer" Technologien für die mittelständische Industrie ein. Die anschließende Diskussion zeigte zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten und Interesse von beiden Seiten auf, aber auch Vorbehalte (komplizierte und langwierige Antragsverfahren und Begutachtungen, Geheimhaltung, patentrechtliche Verwertung) seitens der Unternehmer wurden deutlich.

In den Kaffeepausen nutzten zahlreiche Gesprächsteilnehmer die Möglichkeit, sich an den Stellwänden des FORTWIHR über aktuelle Forschungsprojekte zu informieren und Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten, wobei auch weiterführende Treffen und Gespräche konkret vereinbart wurden.


Neues von der A*Bay*FOR

(Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Forschungsverbünde

Die Anzahl der Forschungsverbünde ist inzwischen auf 16 angewachsen.

Neben den Gründungsmitgliedern

gehören der A*Bay*FOR derzeit die Verbünde an. Die kürzlich gegründeten Verbünde sollen anläßlich des zweiten A*Bay*FOR-Symposiums am 26.4.1995 offiziell als Mitglieder aufgenommen werden.

Für die Vorbereitung des Symposiums am 26.4.1995 im Deutschen Museum in München wurde ein Redaktionskomitee ernannt, das u.a. Vorschläge für ein einheitliches Folien-Layout sowie für die Gestaltung der neuen A*Bay*FOR-Broschüre erarbeiten soll (Mitglieder: Prof. Wilderer (FORREST), Dr. Enders (FORKLIM), Prof. Geiger (FORLAS), Prof. Radig (FORWISS) und Dr. Düster (Deutsches Museum)).

Zum 1.12.1994 hat Herr Dr. Düster, bislang beim Deutschen Museum für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die neugeschaffene Position des A*Bay*FOR-Referenten übernommen. Schwerpunkte seiner Arbeit werden die Organisation gemeinsamer Aktivitäten aller Verbünde und die Öffentlichkeitsarbeit der A*Bay*FOR, die Koordinierung von Kooperationen der Verbünde untereinander sowie Fragen des Technologietransfers sein. Die Kosten für diese Stelle übernimmt das Bayerische Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst, das zusätzlich auch durch Sachmittel die Arbeit der \A*Bay*FOR unterstützt.


Der Computer rechnet nicht von selbst

Die Bedeutung der Mathematik für Wissenschaft und Technik/Simulationen mit großem Aufwand

Unter diesem Titel erschien am 5.10.1994 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgende Zusammenfassung eines Vortrags von Prof. Dr. Dr.h.c. R. Bulirsch.

Nicht immer ist offensichtlich, bei welchen Forschungsvorhaben die Mathematik ihre Finger im Spiel hat. Wie sehr in der heutigen Zeit die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen sich mathematischer Verfahren bedienen, erläuterte vor kurzem Roland Bulirsch von der Technischen Universität München auf der 118. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Hamburg. Wo immer die Formulierung "vom Computer berechnet" gebraucht werde - in der Tat zitierten viele Vortragende auf der Versammlung Ergebnisse von Computersimulationen -, werde der eigentliche Sachverhalt verschleiert. In Wirklichkeit habe der Computer nichts berechnet, sondern Rechenoperationen präzise und schnell ausgeführt. Die Befehle, wie die Rechenoperationen vorgenommen werden sollen, seien dabei von Mathematikern diktiert worden.

Die Vorteile, die schnelle Rechenautomaten für die Wissenschaften und deren technische Anwendung besitzen, hätten dem französischen Mathematiker Adrien-Marie Legendre viel Arbeit erspart. Am Ende des achtzehnten Jahrhunderts hat er sich mit sogenannten elliptischen Integralen beschäftigt. Weil diese für die mathematische Beschreibung praktischer Anwendungen bedeutend sind, hat Legendre Tabellen aufgestellt, mit denen diese Integrale berechnet werden können. Alle seine insgesamt mehr als 16,000 Zahlenwerte könnte ein Computer heute in einer viertel Sekunde berechnen. Legendre hingegen brauchte viele Jahre dazu. Numerische Mathematik war in jenen Tagen eine mühsame Handarbeit.

Auf numerische Verfahren, die erst mit schnellen Rechnern realisiert werden konnten, greift beispielsweise die mittlerweile weit verbreitete Computertomographie in der Radiologie zurück. Mathematisch gesehen integriert eine solche Aufnahme Werte über den Absorptionskoeffizienten des Gewebes entlang des Röntgenstrahls. Das Absorptionsvermögen der Gewebescheibe muß punktweise ermittelt werden, damit eine für den Arzt auswertbare Aufnahme entsteht. Dies stellt die Umkehrung einer Transformation dar, mit der sich bereits der Mathematiker Johann Radon im Jahr 1917 beschäftigt hatte. Der Computer eines Tomographen führt die aufwendige Rücktransformation numerisch aus und erzeugt das Bild der Gewebescheibe.

Die mathematische Beschreibung von komplexen Systemen in Natur oder Technik erfolgt häufig mit nichtlinearen Differentialgleichungen. Diese Gleichungen verknüpfen Funktionen mit ihren höheren Ableitungen und sind meist nicht analytisch lösbar. Für die Berechnung des Verhaltens der Systeme werden daher Näherungsverfahren verwendet, die die numerische Mathematik bereitstellt und die meist iterativen Charakter besitzen. Dies hat zur Folge, daß mit modernen Computern immer mehr miteinander gekoppelte Differentialgleichungen gelöst und so die Systeme wirklichkeitsnäher simuliert werden können.

In vielen Bereichen sind Fortschritte ohne vorherige numerische Simulation nicht mehr denkbar. Beispielsweise kann der dreidimensionale Stromfluß durch einen Transistor berechnet werden. Dies ist für die Optimierung solcher Bauelemente wichtig. Integrierte Schaltkreise werden in der Entwicklungsphase auf einem Computer simuliert. Die Bauelemente und ihre Verbindungen untereinander können auf diese Weise günstig angeordnet werden.

In der Raumfahrt ist die Vorausberechnung von Satellitenmissionen zu anderen Planeten eine klassische Anwendung von numerischen Verfahren. Die Ziele sollen mit möglichst wenig Treibstoff, aber doch innerhalb einer höchstzulässigen Zeit erreicht werden. Vor allem wenn die Raumsonden durch einen Vorbeiflug dicht an einem Himmelskörper Schwung holen sollen, müssen die Kräfte vieler anderer Himmelskörper berücksichtigt werden. Immer genauere Optimierungstechniken gestatten es, auch die konstruktiven Details einer Sonde in die Rechnungen einzubinden.

Sogar die Bewegungen der Arme von Industrierobotern lassen sich erst durch aufwendige Simulationen verbessern. Sie hängen vor allem von den Steuerspannungen der Motoren in den einzelnen Gelenken ab und können ebenfalls mit komplizierten Differentialgleichungen beschrieben werden. So werden die anzulegenden Spannungen ermittelt, die die Zeit für eine Bewegung der Roboterarme zwischen zwei vorgegebenen Punkten minimieren. Allerdings schont eine solche schnelle Bewegung den Roboter nicht. Daher interessieren sich Ingenieure meist für einen Bewegungsablauf, bei dem die Belastungen und die verbrauchte Energie sehr gering sind. Solche Bewegungen erfordern aber lediglich zehn bis zwanzig Prozent mehr Zeit.

Selbst komplizierte Prozesse wie der Lebenszyklus eines Sterns können mittlerweile realistisch modelliert werden. Bulirsch stellte eine Simulation der Sonne vor. In Zusammenarbeit mit Astrophysikern wurde ein System von Differentialgleichungen aufgestellt, das den gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse über die Sonne beinhaltet. Ein Videofilm präsentierte zeitrafferartig die Ergebnisse der Berechnungen für einen Zeitraum von zwölf Milliarden Jahren. Die Sonne wurde vorgeführt, wie sie ein Betrachter von der Erde aus sähe. Die Simulation ergab, daß die Größe der Sonne in ihrem späten Lebensalter oszilliert. Astrophysiker können diesen Vorgang noch nicht schlüssig erklären. Die Oszillationen sind jedoch in dem komplizierten Gleichungssystem enthalten und kein künstliches Produkt der verwendeten Näherungsverfahren zur Lösung der Differentialgleichungen.

Wie auch andere Beispiele zeigten, sei Hochtechnologie vor allem mathematische Technologie, betonte Bulirsch. Dies zeige sich gerade dort, wo Computer verwendet werden würden. Leider nehme man gerade in Deutschland die grundlegende Bedeutung der Mathematik nicht genügend wahr. In Frankreich werde die Mathematik als Teil der Kultur angesehen. Jeder Schnapswirt wisse dort, wer Legendre sei - un grand mathématicien françle;ais.


Mathematik in der Technik

Modellierung, Simulation, Steuerung und Visualisierung dynamischer Systeme

Mit dem Ziel, an benachbarten Themen forschende Kolleginnen und Kollegen aus Hochschule und Industrie zusammenzubringen und einen fachlichen Austausch über Probleme und Lösungsmethoden zu fördern, wurde am 25.11.1994 ein Workshop am Lehrstuhl für Höhere Mathematik und Numerische Mathematik der TU München (Prof. Dr. Dr.h.c. R. Bulirsch) durchgeführt.

Dabei wurden Projekte aus den FORTWIHR-Bereichen 2 (Numerische Simulation und Optimierung von dynamischen Systemen) und 4 (Numerische Simulation von Halbleitern und Schaltkreisen) sowie vier vom BMFT geförderte Projekte vorgestellt und diskutiert.

Etwa 25 Mathematiker, Informatiker und Ingenieure von Hochschulen (TU München, FH München, U Bayreuth, TH Darmstadt, U Heidelberg u.,a.), 10 bayerische Industrievertreter (BMW AG, Siemens AG, Linde AG, TESIS GmbH) und ca. 15 Studenten im Hauptstudium nahmen aktiv an der Veranstaltung teil.

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Portable Modellierung und Animation einer zeitminimalen Roboterbewegung (Visualisierung: A. Heim)

Das Spektrum der zehn Vorträge reichte von Fragen der Modellierung, Rechnersimulation und Optimierung von Fahrzeugen, Verbrennungsmotoren sowie von Industrierobotern über elektrische Schaltungen, Satelliten und Raumfahrzeuge, transdermale Prozesse bis zur Modellierung und Steuerung bei unsicherem Prozeßwissen in der chemischen Technik und der portablen Modellierung und Animation dreidimensionaler Szenen. Die Diskussionen zu den einzelnen Themen sowie die Abschlußdiskussion wurden, besonders auch von den anwesenden Industrievertretern, lebhaft geführt. Neben den jeweiligen fachlichen Aspekten wurden konkrete Anforderungen der Industrie an den Transfer neuer mathematischer Technologien dargelegt.


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Anton Frank, 16-12-1994